Die von der großen Koalition geplante Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ist für den Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind, Prof. Dr. Jörg Maywald, ein rechtspolitischer Reformschritt, für den es höchste Zeit sei, ihn auch zu verwirklichen. Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland gerieten Kinder und Jugendliche zunehmend in eine Minderheitenposition - mit gravierenden Folgen für politische Entscheidungen, wenn es beispielsweise um die Verteilung von staatlichen Transferleistungen geht. "Die Erhöhung von Rentenleistungen ist selbstverständlich an die Lohnentwicklung gekoppelt, die Erhöhung des Kindergeldes nicht", sagte Maywald bei einer gemeinsamen Fachtagung des Diözesanverbandes des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), des Diözesan-Caritasverbandes und des Erzbistums Paderborn in der Katholischen Akademie Schwerte. "Statistisch gesehen gibt es hierzulande für Kinder keine politische Mehrheit mehr, der durchschnittliche Wähler ist inzwischen über 50 Jahre alt", betonte Maywald, der auch Sprecher der nationalen Koalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland ist.
Vor rund 80 Fachkräften aus Kitas, Schulen, Jugendarbeit und stationären Erziehungshilfe-Einrichtungen verdeutlichte Maywald die grundlegende Bedeutung der UN-Kinderrechtskonvention. Ähnlich wie die Menschenrechte könnten Kinderrechte ein weltweit gültiger Referenzrahmen für einklagbare Rechte werden. Das dabei im Zentrum stehende "Kindeswohl" sei mit diesem deutschen Begriff unzureichend wiedergegeben; der im englischen Originaltext verwendete Begriff "best interests" treffe das Anliegen der Kinderrechtskonvention besser. Denn schließlich gehe es nicht nur um Schutzrechte, sondern auch um das Recht auf Förderung und Beteiligung. "Diese drei Säulen der Konvention gehören untrennbar zusammen."
Maywald ging auch auf die verbreitete Sorge ein, dass Kinderrechte Elternrechte beschneiden könnten. "Die UN-Konvention regelt eindeutig den Vorrang der Eltern bei der Erziehung." Die Verantwortung läge immer auf Seiten der Eltern. Im Sinne der "best interests" ihrer Kinder hätten sie die Aufgabe, zu leiten und zu führen. "Grundsätzlich helfen Kinderrechte den Eltern, Ansprüche gegenüber dem Staat durchzusetzen."
Welche Rolle die Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Praxis spielen, wurde bei der Fachtagung in unterschiedlichen Arbeitsfeldern diskutiert. In Bezug auf kommunale Jugendämter forderten Vertreter des BDKJ eine aktivere Einbeziehung der Verbände bei der Erarbeitung kommunaler Kinder- und Jugendförderpläne. Der Kinderschutz sei in diesen Plänen häufig der schwächste Punkt. Beim Kinderrecht auf (zweckfreies) Spielen sah man Konfliktlinien zum Anspruch von Ganztagsschulen oder auch zu Spielplatzordnungen. Ganz aktuell richtete sich die Kritik auch gegen die geplanten Anker-Zentren des Bundes für Flüchtlinge, bei denen minderjährigen Betroffenen grundlegende Rechte wie Schulbesuch verweigert würden.
Dass es letztlich auch auf die Haltung von Erwachsenen ankommt, aktiv Kinderrechte, insbesondere im Bereich Beteiligung und Mitsprache zu fördern, wurde an mehreren Beispielen deutlich. "Es funktioniert wunderbar", berichtete etwa eine Kita-Leiterin aus Rüthen. Manchmal müssten Erwachsene aber auch akzeptieren, dass Kinder und Jugendliche ihre Beteiligung anders gestalten als gedacht. So wird (erst einmal) nichts aus einem NRW-Landesheimrat für junge Menschen aus Einrichtungen der Jugendhilfe. Die beiden NRW-Landschaftsverbände, die zurzeit mit dem Projekt "gehört werden" die Beteiligung der 35.000 Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen aktivieren möchte, mussten hinnehmen, dass zunächst andere Formen der Mitsprache von den Betroffenen bevorzugt wurden, etwa jährliche Fachtage.
Mit Blick auf Kinderrechte im kirchlichen Bereich wurde der Bedarf an zeitgemäßen und zielgruppengerechten Beteiligungsformen in der Jugendarbeit sowie die Entwicklung von Handlungsleitfäden zur Umsetzung der Kinderrechte angemahnt. Diese Instrumente sollten auch dazu dienen, Kinder und Jugendliche über ihre beschriebenen Rechte aufzuklären. Außerdem wurden Fortbildungsangebote gewünscht, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Jugendarbeit entsprechende Grundhaltungen entwickeln.