Die UNESCO mit ihren 193 Mitgliedsstaaten möchte mit diesem Gedenktag ein Zeichen für den hohen Wert von sprachlicher sowie kultureller Vielfalt in der Welt setzen. Die Initiative für den Tag ging von Bangladesch aus und erinnert damit auch an damalige traurige Ereignisse, bei denen Proteste von Studierenden gegen die vom Staat für alle verpflichtend eingeführte Amtssprache von Soldaten gewaltvoll beendet wurden.
Leider gelten viele der weltweit über 6000 gesprochenen Sprachen als vom Aussterben bedroht, da sie teilweise nur noch von kleinen Gruppen gesprochen werden. Die Gefahr besteht, dass nachkommende Generationen diese Sprachen nicht mehr erwerben und sie dadurch ganz in Vergessenheit geraten und somit auch die dazugehörige Kultur verlorengeht. Sprache ist ein untrennbarer Teil unserer kulturellen Identität und Lebenswelt und vermittelt Zugehörigkeit (vergl. Nifbe; A. Dintsioudi, J. Krankenhagen; Mehrsprachigkeit in der Kita von Anfang an gut begleiten). Für kleinere Gruppierungen ist es aber nicht immer leicht, ihre Traditionen gegenüber der großen Mehrheit zu erhalten. Besonders Sprachen ohne schriftliche Form können kaum überleben. Auch einige deutsche Mundarten und Dialekte stehen mit auf der Liste bedrohter Sprachen. Die UNESCO erstellte den "world atlas of languages" und informiert darin über die aktuelle Situation. Gemeinsam mit Unterstützern setzt sie sich für den Erhalt der Sprachen, Frieden, Toleranz der Vielfalt und für Möglichkeiten einer hochwertigen Bildung in der Muttersprache ein. Leider bleibt immer noch sehr vielen Menschen (Kindern) auf der Welt der Zugang zu Bildung in einer Sprache, die sie verstehen, verwehrt.
"Das ist auch das Ziel dieses Internationalen Tages: Diese Ausdrucksformen der Welt in ihrer Vielfalt zu feiern, sich für die Erhaltung der Vielfalt der Sprachen als gemeinsames Erbe einzusetzen und sich für eine qualitativ hochwertige Bildung - in der Muttersprache - für alle einzusetzen” (Audrey Azoulay Generaldirektor der UNESCO)
Der diesjährige 24. Internationale Tag der Muttersprache wird sich besonders mit dem Thema "mehrsprachige Bildung” befassen.
"Muttersprache?!” Was ist eigentlich gemeint?
Einige andere Definitionen für den Begriff "Muttersprache" sind im Umlauf: Z. B. Herzenssprache; Mutter- Vatersprache; Familiensprache; Umgebungssprache; zuerst gelernte Sprache oder Erstsprache; dominante Sprache; Herkunftssprache; Identitätssprache; native language. In der Regel wird unsere frühe Sprachfähigkeit von den Eltern vermittelt. Innerhalb der Gesellschaft und Umgebung, in der wir aufwachsen, gelten jeweils normative Amtssprachen. Das macht es oftmals notwendig, eine weitere Sprache zu erwerben wie z.B. bei Zuwanderung oder regionalen Dialekten.
Muttersprache und Mehrsprachigkeit:
Mehrsprachigkeit ist weltweit eher die Regel als die Ausnahme und ein großer "Schatz”, der Bildungschancen erhöhen kann. Der größte Teil der Weltbevölkerung erlernt bereits im Kindesalter eine oder mehrere weitere Sprachen. Deutschland hat im Vergleich zu anderen Ländern auch innerhalb Europas eine monolinguale Tradition (vergl. Nifbe; I. Maserkopf; Mehrsprachigkeit- Herausforderung, Chance und Bereicherung). Aktuelle Studien zeigen, dass das Aufwachsen mit mehreren Sprachen entgegen früherer Annahmen grundsätzlich keine negativen Auswirkungen für Kinder hat. Es ist mittlerweile bekannt, dass eine stabile Erstsprache ein gutes Fundament für weiteren Sprachenerwerb darstellt und der Zugang zum Lernen damit erleichtert wird. Das widerlegt auch den Mythos, dass Eltern mit ihren Kindern in jedem Fall zu Hause "nur noch deutsch” sprechen sollen.
Unterstützung von Mehrsprachigkeit und gelebter (Sprachen-) Vielfalt in Kitas:
Mehrsprachigkeit ist in den meisten Kitas tagtäglich gelebter Alltag und wird dort wertgeschätzt. Eine sprachförderliche Grundhaltung und die Vermittlung von Sprechfreude unterstützen alle Kinder in ihrer Entwicklung. Vertraute Laute, Worte, Lieder usw. stärken das kindliche Wohlbefinden und Zugehörigkeitsgefühl. Dieses wiederum stellt die Grundvoraussetzung für Lernen, Bildung und weiteren Spracherwerb dar. Gute Sprachvorbilder sowie ausreichende Sprachanlässe sind dabei wichtige Stützpfeiler.
Einige Beispiele aus der Praxis:
- Mehrsprachige (Bilder-) Bücher /Ausleihmöglichkeit für zuhause/ Kooperationen mit Bibliotheken
- Familiensprache in der Einrichtung sichtbar machen
- Informationen für Eltern (Sprachbildung und Stärkung der Muttersprache zuhause unterstützen)
- Eltern oder Lesepaten lesen in verschiedenen Sprachen vor
- Elternbriefe und Informationen werden übersetzt oder in einfacher Sprache für alle verständlich verfasst
- Vielfältigere Arten zu kommunizieren nutzen, z.B. dienen Piktogramme und Bildkarten als Unterstützungsmaterial und zur Visualisierung
- spielerische Wortschatzbildung in verschiedenen Sprachen (z.B. beim Memory)
- Interkulturelle Feste / Familien Cafés/ Orte der Begegnung schaffen
- Eltern- Kind- Programme: Spielgruppe "Griffbereit”,” Rucksack”, in denen Eltern als Experten der Familiensprache und die Kita als Vermittler der deutschen Sprache kooperieren.
- und weiterführend wünschenswert: muttersprachlicher Unterricht und Schriftspracherwerb in der Schule
Bundesprogramm "Sprach- Kitas- weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist”
Mit dem Bundesprogramm "Sprach-Kitas" unterstützt das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) seit 2016 und bis Ende Juni 2023 Kindertageseinrichtungen, die sehr viele Kinder mit besonderem sprachlichen Unterstützungsbedarf betreuen und bilden (z.B. mit nichtdeutscher Muttersprache oder Kinder aus Familien mit Bildungsbenachteiligung).
Eine zusätzliche pädagogische Fachkraft sowie eine Fachberatung qualifizieren die Kita- Teams in den Handlungsfeldern "alltagsintegrierte sprachliche Bildung, inklusive Pädagogik und Zusammenarbeit mit den Familien” zur weiteren Umsetzung in der pädagogischen Arbeit.
Weitere Informationen dazu unter: https://sprach-kitas.fruehe-chancen.de/programm/ueber-das-programm/
Quellen und zur weiteren Vertiefung:
International Mother Language Day | UNESCO
https://www.unesco.de/kultur-und-natur/kulturelle-vielfalt/welttag-der-muttersprache-2022
https://www.nifbe.de/images/nifbe/Infoservice/Mehrsprachigkeit_Druck.pdf
Quelle: Unesco International Mother Language Day | UNESCO © UNESCO/Montakarn Suvanatap