Prof. Dr. Mathias Albert von der Universität Bielefeld skizzierte den Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fachtags „Tatendrang“, den „youngcaritas“ in Dortmund veranstaltete, wie Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahren denken. (Foto cpd/Wolfgang Maas)
Wie erreiche ich Jugendliche? Unter welchen Bedingungen sind sie bereit, sich sozial zu engagieren? Sind sie überhaupt dazu bereit? Mit diesen Fragen beschäftigte sich der Fachtag "Tatendrang" in Dortmund. Rund 70 Interessierte aus den (Erz)Bistümern Paderborn, Köln, Münster und Essen folgten der Einladung von "youngcaritas" in NRW
Wer Jugendliche für sich gewinnen will, muss wissen, wie 12- bis 25 Jährige "ticken". Deshalb gab es zu Beginn einen Vortrag von Prof. Dr. Mathias Albert von der Universität Bielefeld. Der Politikwissenschaftler ist seit 2002 mitverantwortlich für die wissenschaftliche Konzeption und Leitung der Shell-Jugendstudie. Die 17. Auflage aus dem vergangenen Jahr war die Grundlage für Alberts Ausführungen.
Und er machte den Anwesenden Mut. Offen und tolerant seien die 12- bis 25 Jährigen. Es handele sich "um eine pragmatische Generation im Aufbruch. Sie mischen unverkrampft alte und neue Werte", betonte Prof. Albert. Familie, Freundschaft, Fleiß, Ehrgeiz - das alles ist den jungen Menschen nach wie vor wichtig. Und: "Die Ängste um die wirtschaftliche Entwicklung gehen zurück", sagt der Wissenschaftler. Dabei sei - im Ganzen gesehen - die persönliche Erfüllung im Job wichtiger als die Karriere. Zudem hat die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen hohen Stellenwert.
Beim Freizeitverhalten bleiben Treffen mit Freunden, Musikhören und im Internet unterwegs sein ganz oben. Soweit, so nachvollziehbar. Widersprüchlicher ist da schon das Verhältnis zur Politik. "Das politische Interesse steigt stark an", zitiert Prof. Albert aus der Studie. Aber: "Gleichzeitig nimmt die Politikverdrossenheit nicht ab." Wie passt das zusammen? Für die Wissenschaftler liegt das in einem gestiegenen Misstrauen in Parteien und Politiker, obwohl die Befragten das politische System der Bundesrepublik Deutschland insgesamt als sehr gut bewerten.
"Engagement in festen Organisationsstrukturen nimmt ab", fasst Prof. Albert zusammen. Dies sei eine Entwicklung, mit der nicht nur Parteien kämpfen müssen. Auch Vereine und Verbände haben Schwierigkeiten, Nachwuchs dauerhaft zu binden. Besser stünden die Chancen allerdings, wenn man Mitstreiter für ein zeitlich begrenztes Projekt sucht. Dann seien Heranwachsende eher bereit, sich einzubringen. Doch einen Königsweg gebe es nicht. "Viel bewegt weiterhin die gezielte persönliche Ansprache."
„Tatendrang“ bewies ein Großteil der Interessierten aus ganz Nordrhein-Westfalen beim gleichnamigen Fachtag von youngcaritas in Dortmund. (Foto: cpd/Dennis Binna)
Nach diesem Vortrag starteten die "Sessions". In kleineren Gruppen beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit verschiedenen Themen und diskutierten intensiv. Welche Motivation sollten Jugendliche etwa haben, sind sie "Sinnsucher" oder "Lebenslaufoptimierer"? Die Diskussion zeigte, dass dies wohl gar nicht so wichtig ist. Vielmehr stellte sich heraus, dass die persönliche Ansprache entscheidend ist. Ähnlich sah das auch die Gruppe, die sich mit dem Komplex "Niederschwellige Angebote" beschäftigte. Ihr Fazit: "Man sollte Jugendliche ansprechen und mit den Themen abholen, die sie bewegen", so Friederike Sahling von der youngcaritas im Erzbistum Köln.
Dies versucht auch das Projekt *vergissmeinnicht* aus Berlin. Hier geht es um das "Upcycling". Heißt beispielsweise: Aus vermeintlichem Müll wie einem abgewetzten Jackett wird etwas Neues hergestellt. Anja Bauer von der youngcaritas im Erzbistum Berlin hat festgestellt, dass nicht nur Umweltschutz und Nachhaltigkeit Motive sind, hier mitzumachen. "Manche möchten das Handwerk Nähen lernen, andere sind neu in Berlin und suchen Kontakt." *vergissmeinnicht* habe Platz für alle.
Und auch die Möglichkeiten von "Sozial Media" standen im Fokus. Das provokante Fazit: "Eigentlich braucht man Facebook gar nicht." Über gute Geschichten könne man ebenso auf Projekte aufmerksam machen und Jugendliche motivieren.