Erhielten den Innovationsförderpreis von SkF und SKM im Erzbistum Paderborn (von links): Ute Stockhausen und Petra Kemper (SkF Lippstadt, 2. Platz), Wolfgang Langenohl (SkF Siegen, 1. Platz), Mechthild Börger und Elisabeth May (SkF Soest-Warstein-Werl, 2. Platz) sowie Barbara Hucht, Daniela Dahlmann und Edeltraud Gierling-Mayer (SkF Warburg, 3. Platz).(Foto: cpd/Markus Jonas)
"Schlafender Riese" oder "agiler Zwerg"? Um die Zukunft der Freien Wohlfahrtspflege ging es bei der Delegiertenversammlung der Sozialdienste katholischer Frauen (SkF) und Männer (SKM) im Erzbistum Paderborn. Keinen Zweifel an der Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege ließ Gastreferent Prof. Dr. Rolf Heinze aufkommen. Sie sei die "Säule des deutschen Sozialstaats", organisiere zivilgesellschaftliches Engagement und fördere so das Gemeinwohl, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung an der Ruhr-Universität Bochum. Mit über zwei Millionen Beschäftigten, allein 700.000 bei der Caritas, spiele sie eine zentrale Rolle auf dem Arbeitsmarkt, sei "der Motor der Sozialwirtschaft", so Heinze. Allerdings werde diese zentrale Rolle der Freien Wohlfahrt in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Das liege auch daran, dass die Wohlfahrtspflege "ein Ameisenhaufen" von Tausenden selbstständiger gemeinnütziger Vereine, Verbände, Einrichtungen und Dienste sei. Damit sei die Freie Wohlfahrt ein "schlafender Riese", der selbst im aktuellen Koalitionsvertrag nur kurz Erwähnung finde, sagte Heinze bei der Tagung im Bildungs- und Tagungshaus Liborianum in Paderborn. Diese "Unsichtbarkeit" gefährde langfristig ihre Rolle in Politik und Gesellschaft.
Prof. Dr. Rolf Heinze betonte die zentrale Rolle der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland und warnte vor dem „Kollaps des Sozialen“.(Foto: cpd/Markus Jonas)
Zugleich registriere man wachsende Anforderungen: Steigende Kosten, Zuwanderung und Wohnungsnot seien nur einige Beispiele. Und dennoch zeige eine Umfrage unter 2700 gemeinnützigen Organisationen, dass viele soziale Angebote in ganz Deutschland vollständig wegzubrechen drohen, da gestiegene Kosten finanziell nicht ausreichend kompensiert werden. "Manche Experten warnen vor einem drohenden Kollaps des Sozialen", sagte Heinze. Eine "Katastrophe für die soziale Infrastruktur" bahne sich an - Befürchtungen, die im politischen Raum allerdings "wenig Resonanz" fänden. Die zunehmende Ökonomisierung stärke Einzelinteressen, dadurch gerate aber das "Große und Ganze" des Allgemeinwohls aus dem Blick.
Heinze unterstrich in seinem Impuls, dass die Verbände sich organisatorisch und strukturell stark verändern müssten. Einerseits wandle sich die Gesellschaft hin zu stärkerer Individualisierung und Digitalisierung. Ehrenamtliche, die sich langfristig binden, seien schwieriger zu gewinnen. Andererseits erwartet die Öffentlichkeit zunehmend professionelle Angebote - auch digital. Hier empfiehlt Heinze, viel offensiver auf die Potenziale der neuen Technologien zu setzen, etwa bei Beratungsleistungen oder in der Pflege. Darüber hinaus gelte es, den Fokus auf Quartiersarbeit zu legen. "Integrierte Versorgung", die am konkreten Ort ansetzt, dürfe nicht an starren administrativen Grenzen scheitern. Vielerorts funktioniere das schon gut, indem lokale Akteure kooperierten. Dennoch biete die Vernetzung von Wohnen, Beratung, pflegerischen Diensten und Ehrenamtsarbeit noch erhebliches Wachstumspotenzial.
Vergabe des Innovationsförderpreises an vier Projekte
1. Platz: „Tonerde“ (SkF Siegen)(Foto: cpd/Markus Jonas)
Nach dem Vortrag wurde im Rahmen der Delegiertenversammlung der alle drei Jahre verliehene Innovationsförderpreis von SkF und SKM im Erzbistum Paderborn vergeben. Vier Projekte wurden ausgezeichnet, die in besonderer Weise Kreativität, Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit auf andere Ortsverbände zeigten, so Laudatorin Marie-Luise Tigges.
1. Platz: "Tonerde" (SkF Siegen)
Den ersten Platz mit einem Preisgeld von 3000 Euro belegte das Projekt "Tonerde" des SkF Siegen). Das Projekt richtet sich an junge somalische Frauen, die häufig traumatische Erfahrungen gemacht haben. Durch die Arbeit mit Ton und kreativen Gestaltungsprozessen erhalten sie die Möglichkeit, sich selbst auszudrücken, Stabilität zu finden und an Selbstvertrauen zu gewinnen. Die Jury würdigte besonders den niedrigschwelligen Ansatz, der es den Teilnehmerinnen ermöglicht, über künstlerische Tätigkeiten wieder ein Stück Alltag zu erleben und gleichzeitig Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen zu erfahren.
2. Platz: Fachberatung für FASD (SkF Soest-Warstein-Werl)(Foto: cpd/Markus Jonas)
2. Platz: Fachberatung für FASD (SkF Soest-Warstein-Werl)
Den zweiten Platz (2500 Euro) belegte die Fachberatung für FASD des SkF Soest-Warstein-Werl). Das Ziel dieses Angebots besteht darin, pflegende und erziehende Personen gezielt zu beraten, wenn Kinder und Jugendliche von FASD (Fetale Alkoholspektrumstörung) betroffen sind, eine Erkrankung, die durch den Konsum von Alkohol während der Schwangerschaft ausgelöst wird. FASD ist eine oftmals unterschätzte Problematik, die erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Betroffenen haben kann. Die Fachberatung soll Familien mit Pflegekindern, von denen ca. 25 % betroffen sind, unterstützen sowie andere Fachdienste und junge Menschen frühzeitig informieren..
2. Platz: „Sonntagsfrauen“ (SkF Lippstadt)(Foto: cpd/Markus Jonas)
2. Platz: "Sonntagsfrauen" (SkF Lippstadt)
Einen weiteren zweiten Platz vergab die Jury an das Projekt "Sonntagsfrauen" des SkF Lippstadt. An Sonntagnachmittagen, die bei vielen Familien klassisch für gemeinsame Zeit reserviert sind, bietet der SkF Lippstadt ein Angebot speziell für alleinstehende Frauen mit Kindern an. Das Projekt "Sonntagsfrauen" schafft einen geschützten Raum, in dem Austausch und gegenseitige Unterstützung möglich sind. Die Jury honorierte die Idee, Frauen in einer sensiblen Lebenssituation zusammenzubringen und gleichzeitig die Kinderbetreuung in einem ungezwungenen Rahmen sicherzustellen.
3. Platz: „Warm ums Herz“ (youngcaritas/SkF Warburg)(Foto: cpd/Markus Jonas)
3. Platz: "Warm ums Herz" (youngcaritas/SkF Warburg)
Den dritten Platz (2000 Euro) belegt das Projekt "Warm ums Herz" der youngcaritas beim SkF Warburg. Es handelt sich um eine 6-teilige Projektreihe, die Kinder und Jugendliche aus gesellschaftlichen Randlagen aktiv mitgestaltet haben. Vom Kunstpicknick und einem Steckenpferd-Bauworkshop über einen Selbstverteidigungskurs hin zu Schminknachmittagen im Seniorenzentren wurden viele Aktionen durchgeführt. Mit der Preisvergabe würdigten die Verantwortlichen nicht nur die erfolgreichen Preisträger, sondern auch alle weiteren eingereichten Projekte, die die Vielfalt der sozialen Arbeit in den SkF- und SKM-Ortsverbänden abbilden. "Die Auszeichnungen sollen dazu motivieren, neue Ideen zu entwickeln, bestehende Konzepte weiterzuverfolgen und den Verbänden eine größere Sichtbarkeit nach außen zu verleihen", sagte Marie-Luise Tigges von der SkF-SKM-Geschäftsstelle in Paderborn - ganz im Sinne des Appells von Prof. Heinze, die Freie Wohlfahrtspflege als starken Akteur des Sozialstaats selbstbewusster in den öffentlichen Fokus zu rücken.